Die Auferstehungskirche in Wolnzach

Die Auferstehungskirche in Wolnzach wurde 2008 eingeweiht. Das kreuzförmige Fenster entfaltet bei Nacht eine beinahe magische Außenwirkung.

Bild: Marianne Heil

Kirche und Kunst

Zeitgenössische Kirchenbauten in Bayern

Seit Kriegsende wurden mehr als 730 evangelische Kirchen errichtet. Allein 70 Neubauten entstanden seit 1990. Die jüngste Kirche: die Matthäuskirche in Buttenheim.

Offenbar gibt es im Menschen eine Sehnsucht nach Heiligen Orten. Wer fühlt nicht gelegentlich diesen Drang, einen Kirchenraum betreten zu wollen? Wie schön ist es, an einem heißen Sommertag im kühlen Kirchenraum zu verweilen. Wie erholsam kann es sein, auf einer Kirchenbank zu sitzen und sich in ein Altarbild zu vertiefen. Tröstlich, wenn wir eine Kerze anzünden können. Oder einfach nur: die Stille genießen.

Hier können wir zur Ruhe kommen

Kirchen sind besondere Räume. Hier können wir zur Ruhe kommen. Nähe und Geborgenheit spüren. Eine Verbindung zu Gott suchen. Einen tiefen Atemzug Geschichte einatmen – in der altehrwürdigen Gemäuer der Nürnberger Lorenzkirche zum Beispiel. Oder in einer der zahlreichen zeitgenössischen Kirchen, die in den vergangenen Jahren in ganz Bayern entstanden sind.

Neubauten sind für die evangelische Landeskirche in Bayern gar nicht so ungewöhnlich. Auch wenn die Zahl der Kirchenmitglieder sinken mag: In etlichen Regionen wie Ingolstadt ist die Zahl der „Neuzugereisten“ groß. In Metropolen wie München entstehen ganz neue Stadtviertel. Da darf eine Kirche mit Gemeinderäumen nicht fehlen.

Hans-Peter Hübner und Helmut Braun

Cover des Buches Hans-Peter Hübner und Helmut Braun: Evangelischer Kirchenbau in Bayern seit 1945

Evangelischer Kirchenbau in Bayern seit 1945

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern hat seit 1945 weit mehr als 700 Kirchen und Gemeindezentren gebaut. Sie alle zeichnen sich durch eine erstaunliche Bandbreite an Grundrisstypen, Bauformen und Raumkonzepten aus. Diese Vielfalt beleuchtet das Buch "Evangelischer Kirchenbau in Bayern seit 1945", herausgegeben im Auftrag des Landeskirchenrates der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern von Oberkirchenrat Dr. Hans-Peter Hübner und Kirchenrat Helmut Braun. "Evangelischer Kirchenbau in Bayern seit 1945", herausgegeben von Dr. Hans-Peter Hübner und Helmut Braun, erschienen im April 2011 im Deutschen Kunstverlag (ISBN: 978-3-422-06953-4, Preis: 29,90 €)

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ISBN: 978-3-422-06953-4

Seit Kriegsende wurden in Bayern über 730 Kirchen errichtet. „Die bayerische Landeskirche steht gut da mit ihren zeitgenössischen Neubauten“, erklärt Kirchenrat Helmut Braun, Leiter des Kunstreferats im Landeskirchenamt. Allein 70 Neubauten entstanden nach 1990. „Die Architektur und die künstlerische Gestaltung von Kirchen können den Menschen ein Gefühl von Transzendenz vermitteln“, findet Braun. Daher sei es wichtig, dass sich Kirchen der zeitgenössischen Kunst und Architektur öffneten.

So geschehen in Buttenheim im Landkreis Bamberg: Mit ihrem grün patinierten Zeltdach und dem frei stehenden Glockenturm bringt die Matthäuskirche Leben in den Ortskern. Mehr als 180 Jahre mussten die evangelischen Gläubigen ihre Gottesdienste in der katholischen Schlosskapelle von Buttenheim feiern. Seit 2014 verfügen die rund 2.700 Protestanten nun über eine eigene Kirche. Das Gebäude von Architekt Christoph Gatz mit 300 Quadratmetern Grundfläche hat knapp 800.000 Euro gekostet. Ungewöhnlich: In einer Nische haben Handwerker eine Küche montiert, denn die Kirche dient auch als Gemeindezentrum. Diese Idee, Kirchen nicht nur als Ort der Versammlung, sondern auch als Nutzraum zu begreifen, ist nicht neu. Bereits in der Nachkriegszeit entstanden in neuen Stadtteilen und Siedlungen für zugewanderte Flüchtlinge schlichte und bescheidene Kirchen. Diese „Notkirchen“ wurden oft mit einfachsten Mitteln errichtet und multifunktional genutzt.

Gesellschaftliche Entwicklungen Einfluss auf Architektur

In den 1960er Jahren sorgten der Wohlstand und die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen für eine „Experimentierfreudigkeit in der Formensprache“, erklärt Kirchenrat Harald Hein, Leiter des Baureferats im Landeskirchenamt München. Damals veränderte sich auch das Rollenverständnis der Pfarrerinnen und Pfarrer hin zu einem „Priestertum aller Gläubigen“. Als Konsequenz daraus entstanden zunehmend Zentralräume mit Altar in der Mitte des Raumes oder geschwungenen Mauern, die mit dem neuen Material Beton arbeiteten. In den 1970er und 80er Jahren kam es in vielen Gemeinden zu Ersatzbauten. Die Notkirchen wurden durch repräsentative Neubauten ersetzt und ergänzt durch Gemeinderäume und Pfarrwohnungen.

Gesellschaftliche Entwicklungen haben immer auch einen Einfluss auf die Architektur des Kirchenbaus. So sind heutige Neubauten meist für 100 bis 150 Besucher ausgelegt und barrierefrei zugänglich. Auch wird immer wieder auf neue Materialien oder technische Möglichkeiten zurückgegriffen. So entstand 2008 im oberbayerischen Ampfing bei Mühldorf die erste Passivhaus-Kirche.

Jährlich rund zehn Millionen Euro für Instandhaltung

Natürlich muss die Landeskirche dort am meisten Engagement aufbringen, wo es um den Erhalt der sakralen Räume geht. Für die Instandhaltung, Reparatur, den Umbau, die Erneuerung oder Sanierung der Kirchengebäude wendet die Landeskirche jährlich zwischen sieben und zehn Millionen Euro auf. Als weitere Vorsorgemaßnahme hat sie einen Sanierungsfonds für Instandsetzung und Erhalt aufgelegt.

Seit einigen Jahren arbeitet die Landeskirche an einem umfassenden Immobilien-Nutzungskonzept. Wo aufgrund der rückläufigen Mitgliederzahlen überdimensionierte Kirchen oder Gemeindezentren existieren, soll nach neuen Nutzungskonzepten gesucht werden: In der Nürnberger St. Lukaskirche am Nordostbahnhof entstand im Jahr 2009 die Jugendkirche Lux. Mit wenigen Eingriffen schuf der Architekt Roland Nörpel einen großen Saal mit Café. Ein Erfolg: Jährlich strömen rund 10.000 Jugendliche zu Konzerten, Gottesdiensten oder Poetry-Slam-Aktionen in die Jugendkirche.

Kirchenräume auch in Kliniken und Krankenhäusern

In der Rogatekirche in München, die zu groß ist für die heutige Gemeinde, ist ebenfalls eine Jugendkirche entstanden. Die St. Markuskirche in München wiederum wurde 2010 von Architekt Eberhard Wimmer umgestaltet – und wird nun genutzt für Ausstellungen und Symposien, Musikkonzerte und Synodaltagungen.

Neue sakrale Räume entstehen aber auch an Orten mitten in der Gesellschaft: Auf dem Münchner Flughafen befindet sich seit 2006 eine kleine Kapelle. Dieser „Raum der Stille“ wird konfessionsübergreifend genutzt, von Reisenden aller Weltreligionen, die einen Moment innehalten wollen, ebenso wie vom Flughafenpersonal.

Auch in Kliniken und Krankenhäusern werden Räume und Kapellen eingerichtet. Der Künstler Werner Mally teilte den Raum der Krankenhauskapelle von München-Harlaching in eine dunkle und eine helle Fläche. Der „Tag- und Nachtraum“ bietet den Besuchern damit einen Ort für die persönliche Begegnung mit Gott, für das Gebet, für einen Moment der Trauer oder Stille.

19.01.2024
Rieke Harmsen

Literaturtipp

Cover des Buches Hans-Peter Hübner (Herausgeber), Herbert May (Herausgeber), Klaus Raschzok (Herausgeber), Gerhard Hagen (Fotograf): Evangelische Pfarrhäuser in Bayern

Hans-Peter Hübner (Herausgeber), Herbert May (Herausgeber), Klaus Raschzok (Herausgeber), Gerhard Hagen (Fotograf)

Evangelische Pfarrhäuser in Bayern

Die Reformation und die Entstehung des evangelischen Pfarrhauses sind eng miteinander verknüpft. Der Band bietet erstmals einen umfassenden Einblick in die Geschichte dieser Pfarrhäuser als Gebäude und nicht nur als einem vom christlichen Glauben geprägten Lebensort.

Verlag: Franz Schiermeier

  • ISBN: 978-3943866520