Auf sechs evangelischen Friedhöfen zeigten 28 Künstlerinnen und Künstler ihre Werke - ein Film von Axel Mölkner-Kappl.
Evangelische Friedhöfe
Unendlich still ...
Es leuchtet und blinkt auf dem Regensburger Zentralfriedhof. „time matters…“ so lautet eine Installation vom Konzeptkünstler Jan Kuck (Installation im Bild). Mit Licht und Worten wird der unschätzbare Wert von Zeit thematisiert. Gleichzeitig wird eine der wichtigsten Fragen aufgegriffen: Was würdest Du ändern, wenn Du könntest? Perspektivwechsel: Was erinnert uns an eine Person – das Lachen? Die Umarmung? Die Hände? Die Künstlerin Madeleine Dietz hat auf dem Stahlkunstwerk „Kein Brunnen“ Gedanken und Erinnerungen in Worte gefasst. Das harte Material Stahl, aus dem die von tiefem Gefühl zeugenden Worte gelasert sind, steht für die Möglichkeit, die Liebe zu schützen und zu bewahren.
Bunte Spiegel empfangen die Besucher auf dem Ansbacher Friedhof, Lichtflecken wabern über Grufthäuser und Gräber. Die Installation „Pattern of time – Zeichen der Zeit“ des Christian Schreiber (*1967) arbeitet mit dem Lauf der Sonne am Himmel. Durch das Fortschreiten der Sonne entsteht eine fließende Choreografie an bewegten Bildern. Auch Bäumen werden zu Akteuren: ein knapp zwei Meter langer, verdorrter Baumstamm liegt auf einer Krankentransportliege und träumt mithilfe eines Bildschirmes als Gesicht von besseren Zeiten (im Bild).
Spooky und DJ Strohhalm – so nennt der Münchner Künstler Martin Wöhrl (*1974) augenzwinkernd seine beiden Engel (im Bild). Hoch aufragend stehen sie einander gegenüber und treten so miteinander auf dem Friedhof in Oberallershausen in Dialog. In Sichweite kann man die Himmelleiter von Fred Ziegler entdecken, ein leuchtendes pyramidenförmiges Gehäuse. Geht man ein paar Schritte und betrirt die Kirche so steht man vor Sandsturm, Schneegestöber und Funkenflug, der Installation „Elementarteilchen“ von Brigitte Schwacke.
Zeitgenössische Kunst auf evangelischen Friedhöfen in Bayern: Die Ausstellung "unendlich still..." lief von 1. Mai bis 30. September 2022 auf sechs evangelischen Friedhöfen in Bayern.
Zeitgenössische Kunst auf evangelischen Friedhöfen - Übersicht über alle Ausstellungsorte
Gegenwartkunst auf Friedhöfen
Friedhöfe sind besondere Orte: "Sie bieten einen Schatz an Glaubenszeugnissen und Familiengeschichten. Sie sind Orte der Ruhe, nicht nur für die Toten, sondern auch für die, die hier ihrem eigenen Leben nachsinnen und den Lieben nachtrauern", so Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Friedhöfe sind ein historischer, architektonischer und künstlerischer Schatz der evangelischen Kirche. Und sie sind öffentlicher Kulturraum.
Der Kunstreferent der Landeskirche Helmut Braun möchte diesen Kulturraum neu beleben und Gegenwartkunst auf Friedhöfen als Einstellungen oder dauerhaft gestaltete Elemente etablieren. "Gerade Künstler beschäftigen sich im Rahmen ihrer jeweiligen Ausdrucksform häufig mit existenziellen Problemen und Grenzerfahrungen sowie mit den letzten Fragen des Lebens", so Kunstreferent Helmut Braun. "Sie können mit ihren häufig direkten und provozierenden Arbeiten Debatten über die Hintergründe und Folgen unseres Umgangs mit dem Tod anstoßen."
Hans-Peter Hübner und Klaus Raschzok
Evangelische Friedhöfe in Bayern
"Gegenwartskunst kann neue Erfahrungs- und Wahrnehmungsräume in der Auseinandersetzung mit Sterben und Tod eröffnen", so Braun. "Sie vermag zu tiefem Nachdenken, sinnlichen Erlben und zu einem hoffnungsvollen Innehalten anregen. Sie könnte einen Weg weisen, einen Friedhof zu einem Ort der heiteren Meditation werden zu lassen."
Ausstellung "unendlich still..."
Wie aber sind Gegenwartskunst und Friedhof zusammenzubringen? Kunstreferent Helmut Braun und Dr. Janette Witt haben eine Ausstellung kuratiert, die vom 1. Mai 2022 bis 30. September 2022 auf evangelischen Friedhöfen in ganz Bayern zu sehen war. Es wurden Arbeiten von 28 Künstlerinnen und Künstlern gezeigt, von denen viele eigens für diesen Anlass und den jeweils spezifischen Ort entwickelt wurden. Die Ausstellung fand zeitgleich in den sechs Kirchenkreisen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern auf je einem Friedhof statt.
Die Ausstellung möchte den Friedhof als Ort der Auseinandersetzung mit dem Sterben wieder stärker ins Bewusstsein rücken und ihn mit künstlerischen Sichtweisen als wertvollen Kulturraum neu beleben. So sollten sinnlich wahrnehmbare Signale gesetzt werden, den Friedhof als wertvollen Kulturraum auszuweisen und den Ort der Toten mit Leben zu erfüllen. Die Ausstellung sollte beispielhaft zeigen, wie Kunst eine Friedhofsanlage zu einem lebendigen Denk- und Experimentierraum erweitern kann.
Das umfangreiche Begleitprogramm mit je eigenen Eröffnungsveranstaltungen entwickelten die verantwortlichen Gremien und Kirchengemeinden vor Ort gemeinsam mit den regionalen Kunstbeauftragten der Kirchenkreise. Anlass für die Ausstellung war die 2021 von Oberkirchenrat Prof. Dr. Hans-Peter Hübner und Prof. Dr. Klaus Raschzok herausgegebene Publikation „Evangelische Friedhöfe in Bayern“.
13.10.2022
Andrea Seidel/Ricarda Döring