Die Kusntkonzeption wurde in 2019 von der Landessynode beschlossen.
Bild: ELKB
Kunst Raum Kirche
Die Kunstkonzeption
Die Kunstkonzeption der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ist eine 2020 unter dem Titel „Kunst Raum Kirche“ veröffentlichte Handreichung für Gemeinden und Einrichtungen, um die Kunst- und Kulturarbeit in der Fläche der bayerischen Landeskirche zu stärken. Den Anstoß gab die Landessynode 2015. Nach einer breit angelegten Erhebung der bisherigen Kunstarbeit erarbeitete der Arbeitskreis Kirche und Kunst den Vorschlag für eine Kunstkonzeption, der im Winter 2019 durch die Synode beschlossen wurde.
Kunstreferat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Landeskirchenamt München (Hg.)
Kunst Raum Kirche
Die Kunstkonzeption der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayerngibt einen Überblick über die Akteure der landeskirchlichen Kunstarbeit, deren Aufgaben und Ziele. Im Anhang sind das Verfahren zur Benennung einer Kunststation und die Kontaktdaten der Ansprechpartner zu finden. München 2020.
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern blickt zurück auf eine lange Tradition. In einer sich schnell verändernden Welt ist das zugleich Stärke wie auch Herausforderung. Alte Symboltraditionen und Narrative verlieren ihre Anschlussfähigkeit und damit auch ihre Zukunft, wenn sie nicht in die Sprache und Medien der Gegenwart übersetzt werden. Auch die Kunst vergangener Zeiten muss immer wieder neu in einen Kontext gesetzt werden, damit sie verstanden wird und kein leeres Bild bleibt.
Für die Verkündigung des Evangeliums in einem offenen Dialog mit gegenwärtigen Diskursen und menschlichen Bedürfnissen braucht es neben einem starken kirchlichen Kernprofil immer auch Randzonen, die ein höheres Maß an Kontingenz, Experiment und Innovation zulassen. Dazu gehören in besonderer Weise die Künste. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie nicht auf kirchliche Räume im engeren Sinn begrenzt bleiben, sondern auch in anderen öffentlichen Räumen präsent sind. Aus dem sich Einlassen auf Kunst können neue Vermittlungsoptionen für Fragen von Religion und Glaube entstehen.
Kunst ist Freiheit, Experiment, Sinnlichkeit, Ästhetik. Sie hat die Fähigkeit, Menschen zu berühren, in Frage zu stellen, in tiefen Schichten etwas auszulösen und zu bewegen. Wo neue Wege im Bewusstsein zurückgelegter Strecken beschritten werden, da kann Kunst sich kraftvoll entfalten. Und genau das ist die Chance für Kirche.
Kirchenrat Helmut Braun, Leiter des Referats Kunst und Inventarisation in der ELKB
Leitgedanken der Kunstkonzeption
Kunst entsteht aus einer freiheitlichen Haltung. Kunst ist ein offenes System. Kunst schafft Freiräume.
Kunst in der Spannung von Form und Inhalt ist sinnlich wahrnehmbar. Das fordert eigene Standpunkte heraus. So eröffnet Kunst spirituelle Erfahrungen und setzt religiöse Gedanken frei.
Kunst hat die Fähigkeit, Menschen körperlich und geistig zu berühren, Gewohntes in Frage zu stellen, etwas auszulösen und zu bewegen. Malerei, Bildhauerei, Video, Film, Tanz, Theater, Literatur, Musik und Architektur sind gleichwertige künstlerische Ausdrucksformen menschlichen Seins. Sie bereichern das Leben.
Kunst ist Erfindung, Erneuerung und mitunter „reformatio“. Kunst entdeckt andere Sichtweisen und erschließt neue Wege. Kunst kann anregen, Impulse setzen, motivieren, Energie wecken.
Kunst ist ein experimenteller Versuch, die Welt zu beschreiben. Kunst lotet Fragen aus über das Leben und den Sinn des Seins. Kunst trifft den Menschen in seinem Inneren. Kunst belebt, berührt, rüttelt auf. Sie ist gleichermaßen Schutzraum, Utopie und Mahnerin zum Aufbruch.
Kunst vergangener Jahrhunderte transportiert die Weltsicht früherer Generationen ins Jetzt. Gegenwartskunst trifft Zeitansagen oder wagt Entwürfe für die Zukunft. Kunst schafft Kommunikationsräume, in denen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einander begegnen.
Schöpferische Gestaltung gibt es seit es Menschen gibt. In den Gestaltungsformen der Künste begegnen existenzielle Fragen und Antworten aller Zeiten. Kunst fordert den Diskurs über Fragen in der Tiefe und an den Rändern des Seins heraus.
Kunst und Kirche sind seit Jahrhunderten eng miteinander verwoben. Kunst hat die Vorstellungswelt des Glaubens nachhaltig geprägt und umgekehrt. Im Kirchenraum, in dem die Worte der Bibel, die Lieder und Gebete der Gemeinde hörbar werden, spricht auch die Kunst. Darstellungen des Gekreuzigten und Auferstandenen, Kirchengewölbe, die vom Himmel erzählen, Bilder der Stifterinnen und Stifter von Kirchen, aber auch Gemälde biblischer Geschichten begleiten die feiernde Gottesdienstgemeinde oft schon von Kindesbeinen an.
Kunst in der Kirche zieht an. Viele Menschen besuchen Kirchen wegen der Kunst. Kirchenräume werden auch außerhalb der Gottesdienstzeiten genutzt und gebraucht. Sie sind Anlaufstelle, um in die Stille zu finden und Orte, an denen existenzielle Erfahrungen wie Glück, Dankbarkeit, Liebe, aber auch Trauer, Verlust und Tod Raum gewinnen können.
Kunst sensibilisiert durch ihre vielen Darstellungsformen das Sehen und Spüren. Kunst regt die Sprachfähigkeit des Glaubens an, denn sie drängt, in Worte zu fassen, was man sieht, verstehen und begreifen will – in Übereinstimmung oder in Distanzierung zum Kunstwerk. So bringen Kunst und Kirche zum Ausdruck, was Menschen heute bewegt.
Indem Kirche und Kunst sich einander öffnen, entsteht Raum für öffentliche Diskussionen über existenzielle Fragestellungen des Menschseins und gesellschaftliche Herausforderungen. Kunst im Raum der Kirche fordert den Glauben durch ihre Positionen heraus oder stärkt ihn durch Form, Inhalt und Ästhetik der Kunstwerke. Kirche und Kunst schaffen so einen Raum dafür, dass Glaube lebendig bleibt und wach.
Kunststationen
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"Kunststation" als neuer Begriff
Die Kunstkonzeption führt den Begriff der „Kunststation“ neu ein. Kunststationen sind Orte, die sich durch mehrjährige kontinuierliche oder durch zeitweilig besonders intensive Kunst- und Kulturarbeit auszeichnen, die auf Nachhaltigkeit abzielt.
Kunststationen stärken - Kunststationen fördern
Kunststationen können Kirchen sein, die sich in besonderer Weise im Bereich Kunst und Kirche profilieren. Auch landeskirchliche Einrichtungen können diesen Titel erhalten, etwa durch regelmäßige Ausstellungen oder durch ihr Engagement in der Vermittlung von Bild und Kunst für den Bereich der Kirche. Kunststationen können aber auch temporäre Kunstprojekte in der Fläche sein.
Kunststationen schaffen
An Kunststationen werden durch Offenheit von Seiten der Kunstschaffenden wie auch der Gemeinden kreative Spielräume geschaffen, in denen die beiden Welten – die Welt der Kunst und die Welt religiöser und traditionell geprägter Gefühle – aufeinandertreffen können.
Mit dem Status und dem Titel „Kunststation“ kann eine besondere finanzielle Förderung verbunden sein. Die regionalen Kunstbeauftragten unterstützen die Kunststationen mit ihrem Netzwerk, beraten vor Ort und sorgen für eine entsprechende Stärkung der Arbeit nach innen und außen. Vergleichbar einem Gütesiegel wird das Label „Kunststation“ in einem festgelegten Verfahren verliehen. Es findet an einem Ort so lange Anwendung, so lange das Engagement vorliegt. Qualitätssichernde Begleitung erfolgt durch die Kunstbeauftragten der jeweiligen Kirchenkreise mit den zu schaffenden regionalen Kunstausschüssen. So gibt es also keine „gesetzten“ Kulturkirchen. Vielmehr entsteht ein in Zeit und Region gewachsenes variables System von herausgehobenen Kunstorten.
18.01.2024
ELKB